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Tierleid in der Nutztierhaltung

Lesedauer 4 Minuten


Das verdrängte Leid hinter tierischen Produkten

In unserer modernen Gesellschaft existiert eine tiefgreifende Diskrepanz zwischen dem Wunsch der meisten Menschen, Tieren kein Leid zuzufügen, und der täglichen Realität des Konsums tierischer Produkte. Studien zeigen, dass 89,4% der Veganer ihre Entscheidung aus Gründen des Tierschutzes und der Tierrechte treffen . Doch während die vegane Bewegung wächst, bleibt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bei ihrem Fleischkonsum – trotz des damit verbundenen Tierleids.

Dr. Isabel Knößlsdorfer, Referentin für Veganismus beim Deutschen Tierschutzbund, betont: „So wie die Tiere heute behandelt werden und für unseren Konsum leiden und sterben müssen, darf es nicht weitergehen.“ Dieser Artikel beleuchtet die oft verborgenen Aspekte der Nutztierhaltung, von Medikamentengaben bis zu den Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, und zeigt auf, warum viele Experten eine vegane Lebensweise als einzig konsequenten Tierschutz betrachten.

Medikamenteneinsatz in der Nutztierhaltung: Ein Teufelskreis

Systemimmanenter Pharmakaeinsatz

Die moderne Nutztierhaltung ist ohne den massiven Einsatz von Medikamenten kaum vorstellbar. In den engen, stressigen Bedingungen der Massentierhaltung breiten sich Krankheiten rasend schnell aus. Antibiotika werden nicht nur zur Behandlung, sondern oft prophylaktisch eingesetzt – eine Praxis, die zur Entstehung resistenter Keime führt.

Laut Guido F. Gebauer, Diplom-Psychologe und Autor bei vegan.eu, ist „die Entwicklung der Tierschutzgesetze in den westlichen Industriestaaten zeitlich einhergegangen mit einer Explosion des Tierleids“ . Paradoxerweise ermöglichte gerade der medizinische Fortschritt die extremen Haltungsbedingungen, die wir heute kennen.

Impfungen und ihre unerwünschten Folgen

Die Impfpraxis in der Nutztierhaltung ist ein zweischneidiges Schwert. Während Impfungen theoretisch dazu dienen sollten, Tierleid durch Krankheiten zu verringern, gibt es dokumentierte Fälle, in denen Impfungen selbst zu Erkrankungen führten. Tiere entwickeln manchmal schwere Nebenwirkungen, von allergischen Reaktionen bis zu Autoimmunerkrankungen.

Besonders problematisch ist, dass viele Impfstoffe auf die spezifischen Bedingungen der Massentierhaltung zugeschnitten sind – ein System, das die Tiere bereits unter chronischen Stress setzt und ihr Immunsystem schwächt. Daniel Mettke, Agrar-Ingenieur und Experte für bio-veganen Landbau, weist darauf hin, dass selbst im Ökolandbau „Hornspäne überall eingesetzt werden“ und damit „der Ökolandbau von der Massentierhaltung profitiert“ .

Von der Tierhaltung zum menschlichen Körper: Die gesundheitlichen Folgen

Rückstände in tierischen Produkten

Die Medikamente und Impfstoffe, die Nutztiere erhalten, hinterlassen oft Rückstände in Fleisch, Milch und Eiern. Diese Substanzen können beim Menschen zu verschiedenen Gesundheitsproblemen führen, von allergischen Reaktionen bis zur Beeinträchtigung der Darmflora. Besonders besorgniserregend ist der Beitrag des massenhaften Antibiotikaeinsatzes zur Entwicklung antibiotikaresistenter Keime, die bereits heute als eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit gelten.

Das Vitamin B12-Paradoxon

Ein häufig vorgebrachtes Argument gegen vegane Ernährung ist die Notwendigkeit von Vitamin B12. Was viele nicht wissen: Den meisten Nutztieren wird B12 ebenfalls supplementiert, da sie durch die Haltungsbedingungen und das oft nicht artgerechte Futter kein natürliches B12 mehr aufnehmen können. Wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in einem Sonderheft zur veganen Ernährung feststellt, wird den Tieren „derzeit eine deutlich größere Palette an Vitaminen und Spurenelementen zugesetzt“ .

Interessanterweise zeigen Studien, dass auch viele Omnivoren unter Vitamin-B12-Mangel leiden. Die vegane Ernährung erfordert zwar eine bewusste Supplementierung, macht diesen Nährstoffmangel aber wenigstens transparent, während er bei Fleischessern oft unerkannt bleibt.

Kinderernährung: Vegane Aufwachsende widerlegen Vorurteile

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur veganen Kinderernährung

Entgegen weit verbreiteter Vorurteile gibt es zahlreiche Kinder, die vegan und gesund aufgewachsen sind. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) stellt in einer Auswertung fest, dass vegan lebende Menschen im Durchschnitt die DGE-Empfehlungen für eine bedarfsdeckende Ernährung besser einhalten als der Durchschnitt der Bevölkerung .

Tatsächlich kann eine gut geplante vegane Ernährung in allen Lebensphasen geeignet sein, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit. Wichtig ist dabei vor allem die bewusste Zufuhr von Vitamin B12 sowie eine ausgewogene Zusammenstellung der Nahrungsmittel.

Der Nährstoffvergleich

Vegane Kinder erhalten typischerweise mehr Obst, Gemüse und Vollkornprodukte als ihre omnivoren Altersgenossen. Sie nehmen weniger gesättigte Fettsäuren und Cholesterin zu sich, dafür mehr Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Bei bestimmten Nährstoffen wie Eisen oder Kalzium ist die Bioverfügbarkeit aus pflanzlichen Quellen zwar geringer, dies kann aber durch geschickte Kombination (z.B. Vitamin-C-reiche Lebensmittel zu eisenreichen Mahlzeiten) ausgeglichen werden.

Die Stimmen der Experten: Wissenschaftliche Positionen zur veganen Lebensweise

Pro Veganismus

Dr. Isabel Knößlsdorfer vom Deutschen Tierschutzbund betont: „Jeder Mensch, der eine oder mehrere Mahlzeiten vegan gestaltet, leistet einen wichtigen Beitrag und erhebt seine Stimme für die Tiere.“ Diese Position wird von vielen Tierschutzorganisationen geteilt, die in der veganen Lebensweise den „konsequentesten Weg zu mehr Tierschutz“ sehen .

Auch aus umweltpolitischer Sicht gibt es starke Argumente für den Veganismus. Studien zeigen, dass Ernährungssysteme mit veganen Diäten die niedrigsten Emissionen aufweisen . Die EAT-Lancet-Kommission empfiehlt in ihrer „Planetary Health Diet“ primär pflanzenbasierte Proteinquellen und nur moderate Mengen an Fisch und Geflügel .

Kritische Stimme

Nicht alle Experten teilen diese Einschätzung. Professor Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des Bund Naturschutzes, bezeichnet Veganismus als „Irrweg“ und argumentiert, dass Wiederkäuer auf der Weide „das Klima schützen“ . Er warnt vor den Auswirkungen auf bäuerliche Strukturen und den Artenschutz.

Diese Position wird jedoch von vielen Umweltwissenschaftlern kritisch gesehen. Die Behauptung, vegane Ernährung schade dem Klima, widerspricht zahlreichen Studien, die den enormen Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen der Tierhaltung belegen.

Natürliche B12-Quellen und das Supplementierungsdilemma

Wie Veganer natürlich B12 aufnehmen können

Theoretisch wäre es möglich, Vitamin B12 auf natürliche Weise durch den Verzehr ungewaschener, wild gewachsener Pflanzen oder bestimmter fermentierter Lebensmittel aufzunehmen – so wie es unsere Vorfahren taten. In der Praxis ist dies in der modernen, hygienischen Welt jedoch kaum umsetzbar. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt daher Veganer*innen die Supplementierung von B12 .

Das Supplementierungsparadox

Interessanterweise wird der B12-Mangel bei Veganer*innen oft als Argument gegen diese Lebensweise verwendet, während die Tatsache, dass auch Nutztiere supplementiert werden müssen, kaum thematisiert wird. Dies zeigt das grundlegende Problem der modernen Tierhaltung: Sie ist so weit von natürlichen Prozessen entfernt, dass selbst die grundlegendsten Nährstoffe künstlich zugeführt werden müssen.

Der Weg nach vorn: Ethische Alternativen und praktische Umsetzung

Bio-vegane Landwirtschaft als Zukunftsvision

Daniel Mettke, Agrar-Ingenieur und Vorstandsmitglied im Bund für vegane Lebensweise, zeigt auf, dass Landwirtschaft ohne Nutztiere möglich ist: „Wir können beweisen, dass Landwirtschaft ohne Tiere möglich ist.“ Der bio-vegane Anbau verzichtet komplett auf tierische Dünger wie Gülle oder Hornspäne und setzt stattdessen auf pflanzliche Komposte und Gründüngung.

Praktische Schritte zur Reduktion von Tierleid

Der Deutsche Tierschutzbund betont, dass Veganismus „keine völlige Selbstaufopferung“ erfordere und „jeder einzelne Schritt zählt und ist wichtig“ . Für viele Menschen ist der schrittweise Umstieg auf pflanzliche Alternativen der praktikabelste Weg. Die heute verfügbaren pflanzlichen Ersatzprodukte machen den Wechsel leichter denn je.

Veganismus als konsequente Ethik

Die Entscheidung für eine vegane Lebensweise ist letztlich eine Frage der Ethik. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass Tiere nicht als Mittel zum Zweck dienen sollten. Wie die Studie zu den Motiven vegan lebender Menschen zeigt, ist für die große Mehrheit (89,4%) der Tierschutz das Hauptmotiv .

Angesichts der dokumentierten Probleme der Nutztierhaltung – von Medikamenteneinsatz über Impfschäden bis zu den ökologischen Folgen – erscheint der Veganismus als einzige konsequente Alternative. Er ermöglicht es, das eigene Leben in Einklang mit dem Wunsch nach einer gewaltfreieren Welt zu bringen – für die Tiere, die Umwelt und letztlich auch für uns selbst.

Links zum Thema:
https://www.vegan.eu/studie-motive-vegan/
https://www.duunddastier.de/ausgabe/warum-vegan-vegane-mythen/?issue=15190&y=2025
https://www.vegan.eu/vegan-tierschutz-kunstfleisch/
https://taz.de/Nicht-jedes-Gemuese-ist-vegan/!5355068/
https://www.bund-bergstrasse.de/ag-tierethik/vegan-check/
https://www.tierschutzbund.de/tiere-themen/tierschutz-im-alltag/vegan/
https://www.wochenblatt-dlv.de/politik/kritik-veganismus-rinder-klimaschuetzer-573347

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