Automatische Blutdruckmessung: Achte auf die Manschette!


Die Messung des Blutdrucks (BD) ist ein gängiges Verfahren, auf das in verschiedenen klinischen Situationen vertraut wird – sei es zur Erkennung einer Verschlechterung des Gesundheitszustands, zur Dosierung von Medikamenten oder zur Steuerung gezielter Behandlungen (1). Hohe Blutdruckwerte dienen oft als Grundlage für die Diagnose von Bluthochdruck. Da ein erhöhter Blutdruck meist symptomlos verläuft, sind regelmäßige und präzise Messungen entscheidend. Ungenaue oder irreführende Werte können sich negativ auf die Behandlungsqualität auswirken.

Die traditionelle Messmethode und ihre moderne Anwendung

Die Riva-Rocci-Korotkoff-Methode, bei der eine Oberarmmanschette und ein Stethoskop zum Einsatz kommen, ist seit über 100 Jahren der Goldstandard in der Blutdruckmessung (2). Auch wenn sich die Zielwerte und Therapien im Laufe der Zeit geändert haben, bleibt diese Technik – heute in automatischen oszillometrischen Geräten integriert – die dominierende Methode. Sie bildet die Grundlage für die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (3) und der klinischen Hypertonie-Leitlinien (4).

Doch so einfach die Methode scheint, so komplex ist ihre korrekte Anwendung. Schon kleine Abweichungen können schwerwiegende Folgen haben: Eine Differenz von nur 5 mmHg im systolischen Blutdruck könnte weltweit bei 84 Millionen Menschen zu einer Fehldiagnose führen (5).

Automatische Blutdruckmessung: Geschlechterunterschiede

Aktuelle Studien zeigen, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Genauigkeit der automatischen Blutdruckmessung im Vergleich zur invasiven Messung gibt (6, 7). Bei gleichem intraarteriellem Druck wurde der systolische Blutdruck (SBD) bei Frauen durch die automatische Manschette niedriger gemessen als bei Männern – was auf eine Unterschätzung des kardiovaskulären Risikos bei Frauen hindeutet (7).

Diese Abweichung könnte dazu führen, dass Frauen seltener eine adäquate Behandlung erhalten. Möglicherweise erklärt dies auch, warum Frauen bei gleichem Manschettendruck ein höheres kardiovaskuläres Risiko haben als Männer (6).

Eine Ursache könnte in anatomischen Unterschieden liegen: Die Form und Zusammensetzung des Arms variiert zwischen den Geschlechtern. Besonders bei ungleichmäßiger Armform – etwa wenn der Umfang am Ober- und Unterarm stark differiert – steigt die Wahrscheinlichkeit ungenauer Messungen (8). Bei Frauen passt die zylindrische Manschette oft schlechter und reicht teilweise bis über den Ellenbogen hinaus.

Warum die Manschetten-Größe entscheidend ist

Bisher gibt es nur wenige Erkenntnisse darüber, wie sich die Manschettengröße auf die Übereinstimmung zwischen automatischer und manueller Messung auswirkt – und ob es hier geschlechtsspezifische Unterschiede gibt (9).

Eine aktuelle Studie mit Daten aus dem US-amerikanischen NHANES-Survey (10) untersuchte diese Frage anhand von 3.735 Teilnehmern (49 % Frauen, Durchschnittsalter 45 Jahre). Die Ergebnisse zeigen:

  • Bei Frauen unterschätzte die automatische Messung den systolischen Blutdruck umso stärker, je größer die Manschette war – bis zu -6,4 mmHg bei Extra-Large-Manschetten.
  • Bei Männern gab es nur bei Extra-Large-Manschetten eine Abweichung (-2,4 mmHg).
  • Die Unterschätzung bei großen Manschetten hing bei beiden Geschlechtern mit höherem Körperfettanteil zusammen.
  • Die Übereinstimmung in der Hypertonie-Klassifikation nahm mit größeren Manschetten ab – bei Frauen und Männern gleichermaßen.

Was das für die Praxis bedeutet

  1. Frauen: Die automatische Messung unterschätzt den systolischen Blutdruck zunehmend, je größer die Manschette ist.
  2. Männer: Hier gibt es nur bei Extra-Large-Manschetten eine relevante Abweichung.
  3. Körperbau: Größere Arm- und Körpermaße sowie höhere Adipositas-Werte führen vor allem bei großen Manschetten zu ungenaueren Ergebnissen.
  4. Hypertonie-Diagnose: Die Übereinstimmung zwischen automatischer und manueller Messung sinkt mit größeren Manschetten – unabhängig vom Geschlecht.

Gerade bei größeren Manschetten kann die automatische Messung ungenau sein – was zu Fehlentscheidungen in der Therapie führen kann. Weitere Forschung ist nötig, um die optimale Messmethode für alle Patientengruppen zu finden.

Quelle: univadis.it

Quellenverzeichnis:

  1. NHANES-Subanalyse zu Geschlechterunterschieden
    „Gender-Specific Effects of Cuff Size on BP Measurement Accuracy: NHANES Analysis“
    (Die spezifische Studie, die die Unterschiede zwischen automatischer und manueller Messung bei verschiedenen Manschettengrößen untersucht)
  2. Studie zur klinischen Relevanz der Blutdruckmessung
    „Role of Blood Pressure Monitoring in Clinical Decision-Making“
  3. Historische Entwicklung der Riva-Rocci-Korotkoff-Methode
    „Evolution of Blood Pressure Measurement Techniques“
  4. WHO-Richtlinien zur Hypertonie
    World Health Organization, „WHO Guidelines for Hypertension Management“
  5. Aktuelle Hypertonie-Leitlinien
    „Clinical Practice Guidelines for Hypertension“, [Journal], [Jahr]
  6. Studie zu Messfehlern in der Blutdruckdiagnostik
    „Impact of 5 mmHg Measurement Error on Hypertension Classification
  7. Geschlechterunterschiede in der Blutdruckmessung
    „Gender Differences in Automated BP Monitoring Accuracy“
  8. Anatomische Einflussfaktoren
    „Sex-Specific Arm Morphology and BP Measurement Errors“
  9. NHANES-Studie zu Manschettengrößen
    National Health and Nutrition Examination Survey, „NHANES Data on Cuff Size Effects“
  10. Studie zur Manschettengröße und Messgenauigkeit
    „Optimal Cuff Size Selection in Automated BP Devices“
    (Diese Studie untersucht speziell den Zusammenhang zwischen Manschettengröße und Messgenauigkeit bei automatischen Geräten)

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