Zum 100. Geburtstag von Christa Meves, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Schriftstellerin
Ein Leben im Dienst der seelischen Gesundheit von Kindern
Am 4. März 2025 feierte eine der prägendsten Persönlichkeiten der deutschen Psychotherapie und Erziehungsberatung ihren 100. Geburtstag: Christa Meves. Die renommierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin sowie erfolgreiche Schriftstellerin blickt auf ein Jahrhundert voller fachlicher Innovationen, mutiger gesellschaftlicher Stellungnahmen und unermüdlichen Engagements für das Wohl von Kindern und Familien zurück .
Geboren 1925 im schleswig-holsteinischen Neumünster, durchlebte Christa Meves nicht nur die Wirren des Zweiten Weltkriegs, sondern entwickelte sich in der Nachkriegszeit zu einer der einflussreichsten Stimmen in Fragen der Kindererziehung und Familienpolitik. Nach ihrem Abitur 1943 studierte sie an den Universitäten Breslau, Kiel und Hamburg die Fächer Philosophie, Geographie, Pädagogik und Psychologie – eine breit angelegte akademische Basis, die ihr späteres ganzheitliches Verständnis menschlicher Entwicklung prägen sollte .
Wissenschaftliche Arbeit und therapeutische Innovationen
Christa Meves‘ professioneller Werdegang ist geprägt von einer seltenen Kombination aus wissenschaftlicher Tiefe und praktischer Anwendung. Nach ihrem Staatsexamen 1949 spezialisierte sie sich auf dem noch jungen Gebiet der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und schloss 1962 ihre Zusatzausbildung am Psychotherapeutischen Institut in Göttingen ab. 1992 erhielt sie die staatliche Anerkennung für ihre therapeutische Arbeit .
Ihr therapeutischer Ansatz vereinte verschiedene wissenschaftliche Strömungen: Die neoanalytische Antriebslehre, die Instinkttheorien der Verhaltensforscher Konrad Lorenz und Niko Tinbergen sowie Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie. Daraus entwickelte sie eine eigene Typenlehre, die sie in ihrem Werk „Charaktertypen – Wer passt zu wem?“ ausführlich darlegte. Sie unterschied dabei vier grundlegende Persönlichkeitstypen: den darstellungsfreudigen Typ, den ordnungsliebenden Typ, den zurückgezogenen Einsiedlertyp und den hingabebereiten Typ .
Literarisches Schaffen mit Millionenreichweite
Neben ihrer therapeutischen Tätigkeit etablierte sich Christa Meves als eine der produktivsten Autorinnen im Bereich Erziehungsratgeber und psychologische Lebenshilfe. Mit über 100 veröffentlichten Büchern, die in bis zu 13 Sprachen übersetzt wurden, erreichte sie eine Gesamtauflage von mehr als sechs Millionen Exemplaren . Werke wie „Ich will leben. Briefe an Martina“ und „Der Weg zum sinnerfüllten Leben“ wurden zu Longsellern und fanden Eingang in viele Familienbibliotheken.
Ihre publizistische Arbeit beschränkte sich nicht auf Bücher: Von 1978 bis 2006 wirkte sie als Mitherausgeberin der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ und verfasste regelmäßig Beiträge für die „Tagespost“. Bis ins hohe Alter veröffentlichte sie monatlich die Kolumne „Meves aktuell“ auf ihrer Website .
Unerschrockene Mahnerin gegen Zeitgeist-Trends
Christa Meves wurde besonders durch ihre klaren, oft kontroversen Positionen zu gesellschaftlichen Entwicklungen bekannt. Bereits in den 1970er Jahren warnte sie vor den Folgen der 68er-Bewegung für die psychische Entwicklung von Kindern. Sie kritisierte scharf die aufkommende „sexuelle Befreiung“ und die damit verbundene Frühsexualisierung von Kindern .
Besonders deutlich positionierte sie sich gegen die Theorien des Sexualpädagogen Helmut Kentler, dessen Ansätze sie in ihrem Buch „Manipulierte Maßlosigkeit“ als „Strategien zur Verderbnis des Menschen“ bezeichnete. Jahrzehnte später bestätigten Enthüllungen über Kentlers Verstrickungen in pädophile Netzwerke ihre frühen Warnungen .
Ein weiteres zentrales Anliegen war ihr Einsatz für die Bedeutung der Mutter-Kind-Bindung in den ersten Lebensjahren. Sie argumentierte, dass frühe Fremdbetreuung in Krippen die spätere Bindungs- und Beziehungsfähigkeit von Kindern beeinträchtigen könne – eine Position, die zunächst auf Widerstand stieß, aber später durch Erkenntnisse der Bindungsforschung gestützt wurde .
Christliches Engagement und Konversion
Christa Meves‘ Wirken war stets von ihrem christlichen Glauben geprägt. Obwohl sie als Protestantin aufwuchs und sogar Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland war, konvertierte sie 1987 zur römisch-katholischen Kirche. Diese Entscheidung führte sie besonders auf die Schriften Papst Johannes Pauls II. zurück, dessen klare Positionen sie beeindruckten .
1981 gründete der Herder-Verlag den Freundeskreis Christa Meves, aus dem 1996 der Verein „Verantwortung für die Familie e.V.“ hervorging. Unter ihrer Leitung entstand das ECCM (Eltern-Colleg Christa Meves), eine Fortbildungseinrichtung für Eltern, die bis heute aktiv ist .
Auszeichnungen und bleibendes Vermächtnis
Für ihr Lebenswerk erhielt Christa Meves zahlreiche Ehrungen, darunter:
- Niedersächsischen Verdienstorden (1978)
- Bundesverdienstkreuz Erster Klasse (1985)
- Gregoriusorden (2005, verliehen von Papst Benedikt XVI.)
- Großen Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens (2005)
Auch mit 100 Jahren bleibt Christa Meves eine wichtige Stimme in der Debatte um Familie und Erziehung. Ihre Analysen zu Bindungsstörungen, den Folgen von Familienzerfall und der Sexualisierung der Gesellschaft haben sich in vielen Punkten als prophetisch erwiesen. Ihr Vermächtnis lebt nicht nur in ihren Büchern fort, sondern auch in den vielen Familien, die durch ihre Ratschläge Orientierung fanden .
Christa Meves steht exemplarisch für eine Haltung, die wissenschaftliche Erkenntnis mit christlicher Werteorientierung verbindet – und die den Mut besaß, gegen den Zeitgeist zu argumentieren, wenn es dem Wohl der Kinder diente. An ihrem 100. Geburtstag dürfen wir nicht nur auf ein erfülltes Leben zurückblicken, sondern auch die bleibende Aktualität ihres Werkes würdigen.