Medizinische Einverständniserklärung wirft Fragen auf


Medizinische Einverständniserklärungen werden regelmäßig an aktuelle rechtliche Standards und medizinische Entwicklungen angepasst. Dieser Prozess erfolgt zeitlich versetzt durch:

  • Individualisierte Anpassungen durch einzelne Kliniken und Arztpraxen
  • Überarbeitungen durch medizinische Fachgesellschaften
  • Anpassungen aufgrund neuer Rechtsprechung oder geänderter Gesetze

In jüngster Zeit ist eine Veränderung der Begrifflichkeiten wie u.a. „Biologika in standardisierten Einwilligungsformularen zu beobachten.  Der Begriff „Biologika“ ist an sich keine neue oder geheime Kategorisierung, sondern entspricht der international standardisierten Definition und Klassifizierung von Arznemitteln.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Biologika?

Bei Biologika handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Arzneimitteln, die auf der Basis von biologischen Quellen wie Zellen, Proteinen oder lebenden Organismen hergestellt werden. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA führt unter dieser Klassifizierung eine Vielzahl von Produkten. Dazu zählen unter anderem Impfstoffe, Gentherapeutika, monoklonale Antikörper, Blutprodukte, Stammzellen, Wachstumsfaktoren und bestimmte Formen der Immuntherapie. Auch Botulinumtoxin, besser bekannt als Botox, fällt in diese Kategorie. Der Begriff „Biogenika“ wird dabei oft synonym verwendet, um diese Produktpalette zu beschreiben. Die Verwendung eines solchen Oberbegriffs in Patientenformularen ist aus Sicht des Hinweisgebers problematisch, da sie eine präzise Aufklärung über die konkret geplante Behandlung erschwert.

Potenzielle Implikationen für die informierte Einwilligung

Die Kritik zielt auf das Fundament der Arzt-Patienten-Beziehung: die informierte Einwilligung. Dieses ethische und rechtliche Prinzip verlangt, dass ein Patient vor einer Behandlung in verständlicher Form über Art, Umfang, Risiken und Alternativen aufgeklärt wird und auf dieser Basis frei entscheiden kann. Die Verwendung des unspezifischen Begriffs „Biologika“ in pauschalen Einverständniserklärungen könnte dieses Prinzip aushebeln. Ein Patient, der einer Behandlung mit „Biologika“ zustimmt, autorisiert damit theoretisch die Anwendung der gesamten Bandbreite der darunterfallenden Substanzen, ohne sich dessen notwendigerweise bewusst zu sein.

Besonders kritisch wird die Situation bei Patienten gesehen, die sich unter Narkose befinden. In diesem Zustand sind sie naturgemäß nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen oder Einwände zu äußern. Sollte das behandelnde Personal im Rahmen des operativen Eingriffs die Gabe eines als notwendig erachteten Biologikums, beispielsweise eines Impfstoffs, beschließen, wäre dies auf Basis der pauschalen Einwilligung formal gedeckt. Der Hinweisgeber warnt davor, dass Patienten auf diese Weise Behandlungen erhalten könnten, denen sie im vollständig aufgeklärten Zustand möglicherweise nicht zugestimmt hätten.

Aus Sicht des Patientenschutzes und des Rechts auf informierte Einwilligung (§ 630e BGB) ist sie jedoch kritisch zu betrachten. Das Problem: Eine pauschale Einwilligung in „Biologika“ ist zu unspezifisch. Ein Patient, der diesem Begriff zustimmt, könnte damit theoretisch seine Einwilligung für eine sehr breite Palette von Behandlungen geben, von einer Grippeimpfung bis hin zu einer komplexen Gentherapie, ohne über die konkrete Behandlung, ihre Risiken und Alternativen aufgeklärt worden zu sein.

Die rechtliche Lage: Eine solche pauschale Einwilligung ist rechtlich höchstwahrscheinlich unwirksam. Die Aufklärung muss sich auf die konkrete geplante Maßnahme beziehen. Der Patient muss verstehen, was mit ihm geschehen soll.

Empfehlungen für Patienten im Umgang mit Einwilligungsformularen

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wird Patienten zu einer besonders sorgfältigen Prüfung aller medizinischen Dokumente geraten. Es ist ratsam, jedes Formular vor der Unterschrift vollständig und aufmerksam zu lesen. Sollten die Begriffe „Biologika“ oder „Biogenika“ aufgeführt sein, ist es im Sinne der eigenen Entscheidungshoheit empfehlenswert, diese pauschale Zustimmung schriftlich auszuschließen. Dies kann durch einen handschriftlichen Vermerk auf dem Formular erfolgen, der festhält, dass die Einwilligung zur Verabreichung von Biologika ausdrücklich verweigert wird. Es ist zudem sinnvoll, eine Kopie des unterschriebenen und mit dem Vermerk versehenen Dokuments zur eigenen Akte zu nehmen. Ergänzend sollte das behandelnde Personal auch mündlich auf den ausgeschlossenen Behandlungsbereich hingewiesen werden.

Die Bedeutung von Wachsamkeit und Transparenz

Diese Diskussion berührt grundlegende Fragen der Patientenautonomie und der Transparenz im Gesundheitswesen. Während administrative Vereinfachung und Standardisierung nachvollziehbare Ziele sind, dürfen sie nicht zu Lasten der verständlichen Aufklärung und des Selbstbestimmungsrechts der Patienten gehen. Die Entwicklung unterstreicht, wie essentiell es ist, dass medizinische Dokumente in einer Sprache verfasst sind, die für Laien nachvollziehbar bleibt. Letztlich liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, die in medizinischen Kontexten unterzeichneten Dokumente mit der nötigen Sorgfalt zu prüfen, um die Kontrolle über die eigenen Gesundheitsentscheidungen zu wahren.


Vertrauensverhältnis darf nicht ausgenutzt werden

Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bildet das unerschütterliche Fundament jeder erfolgreichen Behandlung. In dieser besonderen Beziehung trägt der Arzt die hohe Verantwortung, nicht nur die körperliche Gesundheit seines Patienten im Blick zu haben, sondern stets auch dessen persönlichen Willen und seine individuellen Wertvorstellungen zu respektieren. Jede medizinische Maßnahme sollte in einem gemeinsamen Gespräch erörtert werden, dessen Ziel es ist, einen Therapiepfad zu finden, der ausschließlich dem Wohl des Patienten dient und seine Gesundheit nach bestem Wissen und Gewissen fördert.

Dieses partnerschaftliche Miteinander ist die Voraussetzung dafür, dass die Arzt-Patienten-Beziehung wieder das hohe Maß an Vertrauen und Sicherheit zurückgewinnt, das sie auszeichnen sollte. Eine Atmosphäre, in der Patienten ohne Ängste und mit dem Gefühl des Verstandenwerdens in die Praxis kommen können. Letztlich verfolgen beide Seiten, der Behandelnde wie der Patient, ein und dasselbe, zutiefst menschliche Ziel: Dass jeder Mensch durch die erfahrene Medizin seine Lebensqualität bewahren oder zurückgewinnen und ein selbstbestimmtes, würdevolles Leben führen kann.

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