Die dänische „Klassenzeit“: Ein wöchentliches Ritual für mehr Miteinander


In den Klassenzimmern Dänemarks vollzieht sich wöchentlich ein besonderes Ritual, das fester und wertvoller Bestandteil des Schullebens ist. Jenseits von standardisierten Lehrplänen und fachlichen Inhalten findet hier eine Übung statt, die auf die zwischenmenschliche Entwicklung der Kinder abzielt. Diese als „klassens tid“ bekannte Praxis schafft einen geschützten Raum, in dem nicht Algebra oder Rechtschreibung, sondern das soziale Miteinander im Mittelpunkt steht.

Der Kreis des Vertrauens: Ein Raum für Gefühle und Gedanken

Die physische Anordnung ist dabei von großer symbolischer Kraft: Die Kinder versammeln sich in einem Stuhlkreis, was eine Atmosphäre der Gleichheit und des gemeinsamen Fokus schafft. In dieser Runde erhalten sie die Gelegenheit, persönliche Erlebnisse, Gedanken und Empfindungen zu teilen. Es geht um Freuden, kleine Sorgen und alltägliche Erfahrungen, für die im normalen Unterricht oft kein Platz ist. Die pädagogischen Fachkräfte übernehmen in diesem Setting nicht die Rolle einer bewertenden Instanz, sondern agieren als einfühlsame Moderatoren. Ihre Aufgabe besteht darin, die Schüler dabei zu unterstützen, ihre Emotionen zu erkennen, zu benennen und in Worte zu fassen. Dieser Prozess fördert die emotionale Alphabetisierung, eine grundlegende Fähigkeit für ein ausgeglichenes Leben.

Die Erweiterung des Mitgefühls: Empathie über die menschliche Gemeinschaft hinaus

Das Konzept der „klassens tid“ beschränkt sich nicht allein auf die Beziehungen zwischen den Schülern. Es weitet den Blick bewusst auf die größere Gemeinschaft des Lebens aus. Die Kinder setzen sich gemeinsam mit Themen rund um Tiere und die natürliche Umwelt auseinander. Dadurch entwickeln sie ein Bewusstsein dafür, dass Mitgefühl und Verantwortung universelle Werte sind, die sich nicht nur auf Menschen beziehen. Ob durch das Erzählen von Geschichten, die Planung eines gemeinsamen Projekts oder kleine, achtsame Handlungen – die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, wird behutsam und nachhaltig kultiviert. Empathie entfaltet sich so nicht als erzwungene Lektion, sondern wächst organisch und wird zu einer selbstverständlichen Haltung im täglichen Umgang miteinander.

Die langfristige Wirkung auf das Schulklima

Die regelmäßige Praxis dieser Gesprächsrunden zeigt mit der Zeit eine spürbare transformative Wirkung auf die gesamte Klassengemeinschaft. Schüler, die sich sonst vielleicht zurückhalten, gewinnen an Selbstvertrauen, da ihnen Gehör geschenkt wird. Andere, die eher impulsiv oder dominant auftreten, lernen, zuzuhören und Rücksicht zu nehmen. Das soziale Gefüge innerhalb der Klasse wird als Ganzes resilienter, respektvoller und wärmer. Konflikte können in diesem etablierten Rahmen oft konstruktiver angesprochen und gelöst werden.

Freundlichkeit als transformative Kraft in der Gesellschaft

Die dänische Klassenzeit demonstriert auf praktische Weise, dass Freundlichkeit und emotionale Intelligenz keine nebensächlichen Soft Skills sind. Vielmehr handelt es sich um eine fundamentale Stärke, die Beziehungen vertieft und ein positives Lernumfeld schafft. Sie ist eine stille, aber beständige Kraft, die das Potenzial besitzt, nicht nur das einzelne Klassenzimmer, sondern auch die Gesellschaft im Kleinen zu verändern. In einer komplexen Welt könnte die bewusste Pflege solcher Räume der Güte ein wertvolles Vorbild für ein achtsameres Miteinander sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert